Mittwoch, 1. Juni 2016

"Gott sei Dank, die Wespe !" - Betrachtungen zum Frankfurter Wespe Graffity - Phänomen

Fast alles, was man außerhalb der eigenen vier Wände bewerkstelligt, wird zu einem öffentlichkeitswirksamen, kommunikativen Element. Ob allerdings die Betrachter, von denen jeder über einen eigenen Standpunkt, Blickwinkel, Interpretationstheorie oder Phantasie verfügt, dasselbe verstehen, was sich der Autor eine Kommunikationsereignisses vorgestellt oder gedacht hat, das steht auf einem anderen Stern.

Graffities, die wichtigsten kommunikativen Elemente des öffentlichen Raumes, zählen auf Grund ihrer Cryptologie, der Umgebungsdynamik der Orte, an denen sie angebracht wurden und der zumeist nur dem Sprayer verständlichen, räumlich-thematischen Zuordnung zu den am schwersten verständlichen Kommunikationstechniken der Neuzeit. Für den Sprayer, der möglicherweise eine exakte Vorstellung von Aussage bzw. Botschaft seines Kunstwerkes hat, ergibt sich zuerst das Problem, daß „Kollegen“ in der Nachbarschaft seiner Malerei Symbole und Zeichnungen anbringen, die das Individualkunstwerk so in unbeabsichtigte Zusammenhänge bringen und Gesamteindrücke entstehen lassen, die von der eigentlichen „Message“ ablenken oder eine neue, unbeabsichtigte Sinnkombination entstehen lassen.

Mit der Zeit gesellen sich an einem Spraypunkt so viele unterschiedliche Details und Einzelbotschaften zusammen, daß die Phantasie des Betrachters oder Übersetzers vermeintliche „Bildaussagen“ zu erkennen beginnt, die vermutlich mit dem initialen Kunstwerk überhaupt nicht in Zusammenhang stehen, auf den städtischen Betonmauer-Plakatwänden der Sprayer aber zusammenwachsen und als Ganzes gelesen bzw. gesehen werden.

Nun sind Sprayplätze limitiert und dadurch charakterisiert, daß sie zuerst ungestörtes, künstlerisches Arbeiten ermöglichen müssen, was die Abwesenheit von Überwachungskameras und Publikumsverkehr voraussetzt. Brücken, Unterführungen, Mauern, Straßen- und Bahnrandanlagen, alte Fabrikgelände, verlassene Gebäude und Elektroschaltkästen sind daher der häufigste Ersatz für Leinwände in Malerateliers. Hier findet man, wenn man über ein aufmerksames Auge und Sinn für Beobachtung verfügt, die „Frankfurter Wespe“.

Wie kein anders „Werkthema“ der Sprayerkultur hat sich die Wespe zu einem omnipräsenten Kunstwerk entwickelt, daß aufmerksame Fußgänger, Radfahrer, Wanderer oder Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel, die ihre Blicke aus den Fenstern von Bussen und Bahnen schweifen lassen, erleichtert aufatmen läßt, wenn man ihrer gewahr wird. „Gott sei Dank, die Wespe“ denkt man oft, wenn man unter den öden Zementmassen der Autobahnbrücken den schwarz-weiss-gelben Farbpunkt zwischen oft nicht als „Kunstwerken“ zu bezeichnenden Sprüharbeiten wiederfindet. Wie von einem stachelbewehrten Wächter fühlt man sich an solch einsamen Stellen beschützt durch ihre Anwesenheit.

Begleitet wird die Wespe, die bisweilen sehr ähnlich, bisweilen aber auch auffallend unterschiedlich gezeichnet ist - was auf eine Vielzahl von Autoren hinweist und damit auf eine ausgedehnte Fan-Szene – oft von anderen Schriftzügen, wobei, wie eingangs erwähnt, nicht notwendigerweise ein Sinnzusammenhang zwischen Insekt und Schriftzug bestehen muss. Sehr häufig findet man sie in Gesellschaft von SGE, IR, DNS und UF97 – Symbolen, die allerdings in Frankfurt allgegenwärtig sind. Andere Kombinationen wiederholen sich seltener. Je länger man sie sucht und allerortens findet, desto mehr entsteht beim Fotografen, der sich mit dem Insektenthema beschäftigt, der Eindruck, als sei sie Teil eines größeren Crime-Lab´s, eine Art „Volks-Agathe-Christie-Lesezeichen“, daß auf Grund der Unmöglichkeit, einen neuen, gedruckten Krimi-Band bei Hugendubel auf den Buchauslagetisch zu legen „weil er zu groß wäre“, an Hauswände, Mauerwerk und Betonstelen gemalt wird.

Die „Frankfurter Wespe“, man sollte sie unter Naturschutz stellen.


































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Textredaktion : Peter Zanger - 15. Juni 2016

Fotos : Patricia Lince - August 2015 - Juni 2016






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